Taras Hryhorowytsch Schewtschenko
* 25. Februar (jul) 9. März (greg) 1814 Dorf Morynzi bei Kiew als Sohn von
Leibeigenen
† 26. Februar (jul) 10. März (greg) 1861 St. Petersburg
bedeutendster Lyriker der Ukraine
Da die Leibeigenschaft in der Ukraine erst wenige Jahre vorher eingeführt worden war, war seine Familie des Lesens und Schreibens kundig und konnte Taras bereits in jungen Jahren Religion, Kultur und Literatur nahebringen. Er arbeitete einerseits als Hirtenjunge, konnte aber andererseits die Schule besuchen und las bereits mit 13 Jahren Werke von Hryhorij Skoworoda und Iwan Kotljarewskij, Begründern der ukrainischen Literatur und Philosophie. Ebenfalls entdeckte man auch früh ein Talent zum Zeichnen und Malen.
Mit 11 Jahren wurde Schewtschenko Vollwaise. Einige Jahre später wurde er von seinem Gutsherrn als Kammerdiener eingestellt und begleitete diesen auf vielen Reisen, nach Polen, Litauen und nach Petersburg. Man erlaubte ihm bei einem Petersburger Maler in die Lehre zu gehen. Er erfuhr innerhalb weniger Jahre eine umfassende Bildung durch das Leben in Petersburg, dem Zentrum des russischen Geisteslebens, und die Bekanntschaft mit seinem Landsmann Soschenko. So unternahm er seine ersten Versuche als Dichter und fand Freunde und Anerkennung in literarischen Zirkeln. Der seelische Zwiespalt immer noch Leibeigener zu sein und die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung belasteten ihn. Diese Sehnsucht zieht sich zeitlebens wie ein roter Faden durch seine Werke. 1837 konnte er sich mit finanzieller Unterstützung einflussreicher Freunde, u.a. des russischen Malers Karl Pawlowitsch Brjullow, aus seiner Unfreiheit loskaufen. Er wurde Student an der Akademie der Künste und finanzierte sein Leben in Petersburg durch seine Arbeit als Maler.
Seit 1838 konzentrierte sich Schewtschenko stärker auf seine literarische Arbeit. Mit seinen ersten Veröffentlichungen ab 1840 zeigte sich die Besonderheit seiner Rolle als Dichter: einerseits
eine bäuerliche, aus Knechtschaft und Unfreiheit geborene Stimme, andererseits kultiviert und hochgebildet. Diese beiden Elemente seiner Persönlichkeit verarbeitet er auf ganz neue Weise in seiner
Dichtung. Bereits sein erster Gedichtband, Kobzar, welcher nur stark zensiert herausgegeben wurde, erfuhr eine tiefgreifende Resonanz bei der russischen Intelligenz. Man bescheinigte ihm
Talent, kritisierte jedoch scharf die Tatsache, dass er die "bäuerliche" ukrainische Sprache, nach Ansicht einiger ein primitiver Dialekt des Russischen, für seine Dichtung gewählt hatte.
In den darauffolgenden Jahren entstanden immer mehr Werke mit unverhüllt rebellischem Unterton, die ihm in allen Schichten stürmische Bewunderung verschafften. Diese waren durch zahlreiche Reisen
durch seine Heimat beeinflusst, in welcher Schewtschenko Unfreiheit und Armut, aber auch alten Zeugnissen der ukrainischen Kultur begegnete. Schewtschenko wurde mit seinem Stil zum Prototypen des
ukrainischen Romantikers.
Ende der 1840er Jahre schließt er sich einer idealistisch-revolutionären Vereinigung, der "Kyrillo-Methodianischen Bruderschaft" in Kiew an.
1847 zum Dasein als Soldat verurteilt. Man verbannte ihn und untersagte ihm auf Lebenszeit die Rückkehr in die Ukraine sowie jede dichterische Tätigkeit. Später verbrachte er wegen Verdachts auf
Verschwörung einige Zeit im Zuchthaus. Seit 1850 wurde er in der Festung Nowopetrowsk (heute Fort Schewtschenko, Kasachstan) am Kaspischen Meer unter strenger Aufsicht festgehalten. Trotz Schreib-
und Malverbots entstanden in dieser Zeit Dichtungen, die unter Pseudonym von Freunden veröffentlicht wurden, sowie Gemälde, die er sogar verkaufen konnte.
1857 erreichten einflussreiche Freunde Schewtschenkos Entlassung aus Nowopetrowsk. Er lebte und arbeitete danach unter strengster Zensur in Petersburg, unterstützt von wohlhabenden Freunden und
gefeiert, aber auch gefürchtet von der russischen Gesellschaft.
1861 erkrankte er an Angina Pectoris und starb umgeben von seinen Freunden. An seiner Beerdigung in Petersburg nahmen zahlreiche Menschen teil, darunter die russischen Dichter Dostojewski, Nekrassow, Saltykow-Schtschedrin und Leskow.
26. April/8.Mai 1861 Überführung der sterblichen Überreste in die Ukraine und Beisetzung in Kaniw am Ufer des Dnepr, wie Schewtschenko es sich in seinem Gedicht Zapowit gewünscht hatte. Ihm zu Ehren ist dort, am Hang des (nach ihm benannten) Taras-Berges, eine Gedenkstätte errichtet.
Vermächtnis, 1845 (Zapowit)
Wenn ich sterbe, sollt zum Grab ihr
Den Kurgan mir bereiten
In der lieben Ukraine,
Auf der Steppe, der breiten,
Wo man weite Felder sieht,
Den Dnepr und seine Hänge,
Wo man hören kann sein Tosen,
Seine wilden Sänge.
Wenn aus unsrer Ukraine
Zum Meer dann, zum blauen,
Treibt der Feinde Blut, verlass ich
Die Berge und Auen,
Alles lass ich dann und fliege
Empor selbst zum Herrgott,
Und ich bete... Doch bis dahin
Kenn' ich keinen Herrgott !
So begrabt mich und erhebt euch !
Die Ketten zerfetzet !
Mit dem Blut der bösen Feinde
Die Freiheit benetzet !
Meiner sollt in der Familie,
In der grossen, ihr gedenken,
Und sollt in der freien, neuen
Still ein gutes Wort mir schenken.
Lyrische Werke
Kateryna 1838
Kobzar (Gedichtsammlung) 1840
Die Haidamaken 1841
Tschyhyryn 1844
Kavkas ("Kaukasus") 1845
Cholodnyj Jar ("Die kalte Schlucht") 1845
Sapovit ("Vermächtnis") 1845