Dmitri Medwedew, russischer Ministerpräsident

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Original: http://www.ng.ru/ideas/2014-12-15/1_medvedev.html

Russland und die Ukraine: Das Leben nach den neuen Regeln

Dmitri Medwedew, russischer Ministerpräsident

 

Dezember 2014

 

Vor einem Jahr, Ende des Herbsts 2013, als die Krise in der Ukraine begann, konnte es sich niemand vorstellen, welche Folgen  dieser „bittere November“ für unsere Nachbarn haben würde.

 

Eine Spaltung der Gesellschaft, die auch durch Familien ging. Rückgang der Wirtschaft. Zuspitzung des Radikalismus bis hin zur offenen Verwendung nazistischer Symbole. Flüchtlingsströme in die Nachbarländer. Kampfhandlung auf dem eigenen Territorium gegen seine eigenen Landsleute. Und als Ergebnis tausende Tote, darunter auch Zivilisten.

 

Nur ein Jahr – und aus diesem uns nahen Land, mit welchem wir befreundet waren und handelten, wohin wir fuhren um zu entspannen und Verwandte zu besuchen, blieben nur Erinnerungen . Wir in Russland leiden unter diesen Ereignissen, wie als ab es unsere eigenen Schmerzen wären. Wir helfen selbst denen, die unsere Hilfe mit sarkastischem Lachen annehmen und unter der Losung leben „Ukraine - das ist nicht Russland“. Ich bedaure aufrichtig, dass die Vertreter der ukrainischen Elite ein anderes strategisches Programm zur Entwicklung des Landes weder vorschlagen, noch realisieren konnte. Als Ministerpräsident sehe ich es jeden Tag die Zahlen, die bestätigen: das Schwerste kommt leider auf unsere Nachbarn noch zu.

 

In welcher Art und in welchem Klange sie auch immer an unsere Adresse gerichtet werden, dürfen wir nicht auf die Provokationen eingehen. Wir dürfen nicht vergessen: auf der anderen Seite der Grenze leben unsere Nächsten  im Geiste, in der Kultur, in der Mentalität, deren Schicksal uns niemals gleichgültig sein wird.

 

Gemeinsame Vergangenheit

 

Was bestimmt den besonderen Charakter der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine

 

Uns vereint wirklich eine ganze Menge. Schließlich entspringen die Wurzeln  unserer Beziehungen bereits der Antike. Leider werden derzeit, um zwei Völker voneinander wegzudrücken,  in der Ukraine objektive Fakten bestritten. Einschließlich die unserer gemeinsamen Kultur, Glauben, tausendjährige gemeinsame Geschichte. Sie spekulieren über die Vergangenheit, führen ideologische Konstrukte ein, welche nicht das Geringste mit der historischen Wahrheit zu tun haben. Das ist auch verständlich: die Nähe, in der sich die Ukrainer und die Russen entwickelt haben ist einzigartig und besitzt eine riesige Stärke. Sie war ein entscheidender Faktor in den Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern auch nach der Unabhängigkeit der Ukraine – auf jeden Fall nicht weniger als die Wirtschaft.  Und Millionen von Menschen in Russland und in der Ukraine waren durch Schicksal,  Familie und verwandtschaftliche Beziehungen immer eng verflochten, was sicher wichtiger ist, als alle anderen Faktoren ist.

 

Schließlich sind jedem russischen Menschen sehr nah und sehr verständlich die ukrainische Kultur, die ukrainischen Volkslieder, welche wir als unsere eigenen wahrnehmen. Die an Talenten reiche ukrainische Erde gab der Welt viele Künstler, Musiker, Dichter, Schriftsteller, ein Kulturerbe, welches unser gemeinsamer Besitz ist. Beispiele sind die Leben und die Werke von Repin, Kuindschi, Jaroschenko, Bulgakov, Babel. Nachdem die meisten seines Lebens in der Ukraine lebten, haben sie in ihr die wärmsten Gefühle bewahrt und brachten sie in ihren Gemälden, Romanen und Kurzgeschichten zum Ausdruck. Und wie haben ukrainische Motive die russische Literatur in Werken von Puschkin, Tolstoi, Kuprin, Tschechow, Blok, Pasternak, Mandelstam bereichert. Wie kann man feststellen, welche Komponente in den unsterblichen Büchern Gogols überwiegt – die ukrainische oder die russische?

 

Diese Kultur gehört beiden Völkern. Seit Beginn offen und tolerant, hat sie uns immer familiär vereint, war die Quelle der Zustimmung zwischen uns. Sie hat uns dieselben Ideale und Werte gelehrt, dieselben Prinzipen der zwischenmenschlichen Beziehungen, dieselben Verhaltensnormen in Gesellschaft und Familie. Alles das, was nicht über Nacht zerstört werden kann. Selbst als wir in verschiedenen Staaten lebten, lasen wir dieselben Bücher, liebten dieselben Schauspieler, sahen dieselben Filme. Wir sprachen die gleiche Sprache, die ein Drittel der Ukrainer als ihre Muttersprache betrachten und welche in der Ukraine alle verstehen. Und es schien uns, als ob es in der geistigen und kulturellen Kommunikation zwischen uns keine Grenzen gibt noch jemals geben wird.

 

Wie hat sich die ukrainische Industrie entwickelt

 

Wir werden nicht nur von gemeinsamen historischen und geistigen Wurzeln geeint. Sondern auch von engen wirtschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten, in Herstellung und Arbeitsabläufen, welche sich über Jahrzehnte entwickelt haben.

 

Genau im Zustand der Einheit mit dem russischen Staat, noch im 19. Jh., vollzog sich die Entstehung der Ukraine als stärkster und bedeutendster  Industriestandort und des Donezkbecken als eine der wichtigsten Bergbau- und Hüttenzentren. Als Teil der Sowjetunion hat die Ukraine nicht nur ihre Macht als Agrarrepublik gestärkt, sondern entwickelte ebenfalls ihre Industrie. Das größte Wasserkraftwerk Europas „Dneproges“ wurde in der Ukraine gebaut, mit der Kraft des gesamten Landes. Genauso erfolgreich wurde unter der Losung „Alle für den Donbass!“ die Rekonstruktion der Kohleregion durchgeführt. Es wurden Giganten des Maschinenbaus und der Metallurgie gegründet (Charkow Traktorenwerk, Charkower „Turboatom“, „Kryworischstal“, JSC "Zaporizhstal", PJSC "Metallurgical Plant" Azovstal "" und andere), die Verkehrsinfrastruktur, einschließlich des Netzes der Seehäfen, sowie leistungsfähige landwirtschaftliche und militärisch-industriellen Komplexe wurden ausgebaut. Einzigartige Herstellungs- und wissenschaftlich-technische Zentren, darunter "Pivdenmash", KB „Juschnoje“, PWI Paton erschienen.

 

Im Ergebnis wurde die Ukraine zu einer der fortschrittlichsten Sowjetrepubliken. Der Hauptteil der Industrie, Landwirtschaft und des Handels wurde aus dem Haushalt der Sowjetunion finanziert. Die Bemühungen vieler Menschen und Unternehmen aus verschiedenen Republiken war die Verlegung der  Erdölleitung der Freundschaft, der Bau von fünf Atomkraftwerken und sieben Wasserkraftwerken, welche nun nicht nur Grundlage der ukrainischen Energieversorgung, sondern der gesamten Volkswirtschaft sind. Auch auf Grund des in der Sowjetzeit gemeinsam geschaffenen wissenschaftlich-technischen Potenzials  besitzt die Ukraine bis jetzt immer noch grundlegende Luft-und Raumfahrt-Technologien, welche  wettbewerbsfähige Produkte in einigen Segmenten der Luftfahrt darstellen. In der Tat befinden sich fast ein Drittel aller in der Sowjetzeit gebauten Unternehmen und Konstruktionsbüros der Raketen- und Luftfahrtbranche heute auf dem Territorium der Ukraine.

 

Wie Russland die ukrainische Wirtschaft unterstützte

 

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, erbte das alles (einschließlich des Gastransportsystems) die Ukraine. Darüber hinaus übernahm Russland alle Schulden der UdSSR. Und die Ukraine begann ihre neue Geschichte unbelastet durch jedwede Schuldendienste. Deshalb hatte sie  1991 einer der besten Startbedingungen für ihre Entwicklung  unter den postsowjetischen Staaten. Gerade wegen dieser Voraussetzungen blieb die Wirtschaft der unabhängigen Ukraine „flott“. Außerdem genoss die Ukraine bis vor Kurzem die gemeinsam erreichten Leistungen. Sie lehnte sich weiter an die Zusammenarbeit mit Russland. Sie nutzte unsere Ressourcen.

 

In der für Russland schwierigsten Periode, im Juni 1993, teilte unser Land der Ukraine einen Kredit in Höhe von ca. 250 Mrd. Rubel zu. Die besondere Unterstützung Russlands ermöglichte es der ukrainischen Wirtschaft sich in vielen Bereichen erfolgreich zu entwickeln, einschließlich der Luft- und Raumfahrtindustrie. Als Ergebnis entstand das erste nationale Weltraumprogramm der Ukraine. Das Niveau der technologischen Beziehungen einschließlich der Kernenergie zwischen unseren Ländern war höher als die vieler europäischer Länder innerhalb der EU. Lieferungen nach Russland trugen zur erfolgreichen Entwicklung der östlichen Regionen der Ukraine bei.

 

Eine wichtige Rolle für die ukrainische Wirtschaft, und vor allem seine Grundstoffindustrie, spielten die russischen Investitionen in Maschinenbau, Metallurgie und Metallverarbeitung, Luftfahrt, Schiffbau, Öl-Raffination. Ein wesentlicher Faktor für die Stärkung des Bankensektors, waren ebenfalls russische Investitionen. Die wichtigsten von ihnen wurden im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise von 2008-2009 getätigt, als die Kreditinstitute der Ukraine unter größter Anspannung  wegen der massenhaften Nichtzurückzahlung von Krediten und dem Banken-Run standen.

 

Ausschließlich für die Ukraine wurden günstige Bedingungen im Energiesektor geschaffen. Für eine lange Zeit (bis 2006) waren die Kosten für Gas extrem niedrig - 40-50 Dollar pro 1000 m³. Und das Volumen der angelieferten Rohstoffe übertraf das, welches "Gazprom" nach Deutschland und Italien zusammengenommen verkaufte. So gesehen hat unser Land in der Tat jahrzehntelange die ukrainische Wirtschaft subventioniert.

 

Solange kein separater Vertrag für den Transit vorhanden war, zahlten wir dafür direkt mit Gas aus den Leitungen. In diesem Fall entnahm Kiew mehr Gas, als Russland für den Transit schuldig war. Daher wuchsen die Schulden der Ukraine gegenüber „Gazprom“ ständig an. Als wir die Lieferung einschränkten, begann die ukrainische Seite damit, das Gas illegal zu entnehmen, oder um genauer zu sein – Gas zu stehlen, das für den europäischen Verbraucher bestimmt war.

 

Natürlich hat Russland  versucht, mit der Ukraine über die Grundsätze der zivilisierten Zusammenarbeit zu verhandeln. Einschließlich während der Gespräche zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Viktor Juschtschenko im Jahr 2005, als die russische Seite anbot den Tauschhandel zu beenden und auf einen Barausgleich zu wechseln, bei dem die Fragen der Lieferung und des Transits getrennt zu betrachten wären. Allerdings verhielt sich Kiew nicht konstruktiv und verlangte für sich besondere Bedingungen. Sie wollte den Preis für den Transit auf europäischem Niveau etablieren, gleichzeitig aber den Vorzugspreis des russischen Gases aufrechterhalten. Die ukrainische Seite lehnte praktisch alle unsere Vorschläge ab (einschließlich der Bereitstellung eines Darlehens von 3,6 Mrd. US $ für die Rückzahlung der Schulden). Aber auch in diesem Fall war Russland weiterhin bereit Kompromisse einzugehen.

 

Ich stelle fest, dass die Ukraine das letzte Land der ehemaligen Sowjetrepubliken ist, mit dem "Gazprom" marktübliche Beziehungen im Gassektor einging. Im Jahr 2009 wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Beziehungen zu diesem Land eine langfristige Vertragsbasis geschaffen, die voll im Einklang mit der internationalen Praxis der langfristigen Gasgeschäfte steht. Am 19. Januar 2009 wurden nach Gesprächen zwischen Wladimir Putin und Julia Timoschenko zwischen "Gazprom" und "Naftogaz" neue langfristige Verträge unterzeichnet. Der Gaspreis und die Transitrate wurden nach allgemein anerkannten europäischen Formeln berechnet. Aber auch danach verstieß die Ukraine gegen ihre Zahlungsverpflichtungen und entnahm illegal Gas. Im Jahr 2010 unterzeichneten wir mit Präsident Viktor Janukowitsch ein neues Charkower Vertragswerk, wonach die Ukraine die Stationierung der Schwarzmeerflotte in Sewastopol für 25 Jahre verlängerte und Russland hat die Kosten für 1000 m³ Gas um 100 $ reduziert.

 

Ständige Unterbrechungen der Zahlungen häuften die  Schulden Kiews weiter an. Im Herbst 2013 waren es bereits 2,7 Mrd. $. Aber selbst da sagte die russische Seite der Ukraine ihre Unterstützung zu. Ab dem 1. Januar 2014 sollte "Naftogaz" 268,5 Dollar für 1000 m³ bezahlen, was bedeutet das Gas mit einem erheblichen Abschlag zu erhalten. Dies würde es der Ukraine erlauben, ca. 7 Mrd. $ jährlich einzusparen. Darüber hinaus hat die russische Regierung Kiew ein Darlehen in Höhe von 3 Mrd. $ zur Verfügung gestellt, die zur Tilgung der Gasschulden verwendet werden sollten. Aber niemand hatte vor zu zahlen. Daher waren wir im April 2014 gezwungen, den „Dezemberrabatt“ zu stornieren und  - in strikter Übereinstimmung mit dem gültigen Vertrag - zu einem Preis von rund 485 Dollar pro 1000 m³ überzugehen,  welcher  der Ukraine nicht gefiel. Und später (ab Juni) setzte „Gazprom“ „ Naftogaz“ auf Vorauszahlung. Die Schulden der Ukraine waren auf 4,5 Mrd. $ gestiegen.

 

Bei all diesen Entscheidungen hat die russische Seite nie ihren wirtschaftlichen Faktor bei politischen Fragen ausgenutzt. So wurden die Fragen über die Errichtung der russisch-ukrainischen Staatsgrenze oder dem Verbleib der Schwarzmeerflotte auf der Krim bei der Unterzeichnung der Charta der GUS-Ukraine auf Grundlage des Völkerrechts gelöst.

 

Es ist klar, dass jeder Zug seitens  Russlands ausschließlich in einer negativen Art und Weise interpretiert werden kann, wenn gewünscht – „Expansion“, „Abhängigkeit“ – was einige derzeit auch tun. Die Tatsache ignorierend, dass es um Arbeitsplätze, Gehälter an ukrainische Bürger, Steuern an den ukrainischen Haushalt geht. Aber die Wahrheit ist, dass die Wirtschaft der unabhängigen Ukraine vor allem Dank der Unterstützung Russlands aufgebaut wurde. Und die Höhe der russischen Investitionen, zinsgünstigen Darlehen und günstigen Bedingungen von Angeboten übertreffen weit über einhundert Milliarden Dollar. Allein aufgrund der niedrigen Gaspreise hat die Ukraine mehr als 82,7 Milliarden Dollar gespart. Eine solche Unterstützung erhielt nicht eine einzige der ehemaligen Sowjetrepubliken. Wir haben der ukrainischen Wirtschaft nicht einfach geholfen, man kann sagen, dass wir sie faktisch unterhalten haben. Es ist unwahrscheinlich, dass aus einem anderen Land außer Russland, Kiew solche Geschenke über Jahrzehnte erhalten konnte. Aber leider wird diese wirtschaftliche Realität nicht hinreichend durch die ukrainische Führung wahrgenommen.

 

Eine echte Warnung


Was führte die Ukraine an den Rand des Abgrundes

 

Das zu Ende gehende Jahr wird in die Geschichte der Ukraine als eines der schwierigsten und tragischsten eingehen. Präsident Janukowitsch führte Gespräche über eine Assoziation mit der EU, versprach dem Land eine „europäische Wahl“, versuchte aber dennoch das Spiel mit Russland weiter zu führen. Nach der ökonomischen Analyse aller Risiken und möglicher Folgen und der Erkenntnis, dass es keine seriösen Garantien und schnelle Zuschüsse seitens des Westens gibt, verlangsamte er schließlich die Zusammenarbeit mit der EU. Als Folge kam es am 22. Februar in Kiew zu einer gewaltsamen  Machtergreifung.

 

Alle weiteren Maßnahmen der Führung der Ukraine, einschließlich des Militärs, haben das Land an den wirtschaftlichen Abgrund, wovor es jetzt steht, geführt.

 

Ich werde nicht in den Wirtschafts- und Sozialstatistiken ins Detail gehen. Darüber hinaus haben heute viele Länder der Welt, nicht nur die Ukraine, Schwierigkeiten. Einschließlich Russland. Aber auf jeden Fall ist es kein absoluter Rückgang des BIP von 7-9% (laut IWF und das Finanzministerium der Ukraine), nicht 20 Prozent jährliche Inflationsrate, nicht eine Reduzierung von fast 40% der Devisenreserven, nicht eine  Preissteigerung  der Versorgungsrechnungen um 1,5  oder zwei Mal, nicht die Schließung oder der faktische Konkurs von Großunternehmen. Und es ist nicht das externe Schuldenproblem des Landes, wo nicht klar ist, wie sie zu zahlen sind und zum Ende dieses Jahres das BIP überschreiten wird. Offensichtlich werden unsere Nachbarn die zweiten „90er“ durchleben. Und leider ist das kein Standardproblem, sondern ein breites Problem ´- diese anhaltende Bedrohung des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs der Ukraine ist keine Fiktion von "Kreml-" oder anderen politischen Berater. Übrigens liegt ein Großteil des Schulden-Paket ist in den Händen von Russland. Allein in den letzten Jahren hat Russland in der Ukraine etwa 33 Milliarden US-Dollar investiert. Dabei handelt es sich um Kapital der Banken, Krediten  und Geld von "Gazprom".

 

Die ukrainische Elite beruhigt sich und die Bevölkerung damit, dass "alles gut wird." Und gut wird es dank der „europäischen Wahl“, der Assoziierung mit der EU und der Erlangung der „Unabhängigkeit“ von Russland.

 

Wer bestimmt die Gesetze der Ukraine

 

Viele der Probleme der Ukraine begannen genau in dem Moment, als die Kiewer Führung – mit offensichtlichem Druck der westlichen Partner – von der Notwendigkeit zu sprechen begann, die berüchtigte Abhängigkeit von Russland zu verringern. Dabei setze sich die Politik über die Wirtschaft hinweg. Große Projekte, auch wirtschaftliche, wurden unter dem Prisma der möglichen Veränderungen des Gleichgewichts der politischen Kräfte in der Welt betrachtet. Nach 2009, durch das Format der "Östlichen Partnerschaft", wurde der Ukraine und einer Reihe von anderen Ländern in der Tat die Idee der Reduzierung der Zusammenarbeit mit unserem Land auferlegt.

 

In wirtschaftlicher Hinsicht erinnert die europäische Vorgehensweise insgesamt an ein „Diktat“. Der Ukraine wurde einfach alles im Detail diktiert, wozu sie verpflichtet ist, in fast allen Bereichen des Lebens. Und wir sprechen hier nicht über ein kleines europäisches Land mit einer Bevölkerung von wenigen Millionen Menschen, sondern von einem der größten Länder des Kontinents.

 

Diese Position spiegelt sich eindeutig im Assoziierungsabkommen mit der EU wider. Es verlangt, ohne den EU-Beitritt, die nationalen Rechtsvorschriften vollständig auf EU-Standard im Rahmen einer "tiefen und umfassenden Freihandelszone" zu ändern. Und im Weiteren sind die aktuellen Änderungen in der EU-Gesetzgebung zu berücksichtigen. In der Tat haben europäische Normen und Richtlinien absolute Priorität vor der nationalen Gesetzgebung und zur gleichen Zeit auch vor den nationalen Interessen. Nur ein Beispiel – die Verpflichtung durch das Gesetz über die Rückerstattung kann zu völliger Verwirrung in Eigentumsfragen führen. Denn das Recht auf Eigentum können nicht nur  Bürger der Ukraine, sondern auch die meisten Bürger Russlands, Polens und anderen Ländern, deren Vorfahren der Besitz bis 1940 gehörte, einklagen.

 

In Bezug auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit gleicht die Haltung der EU gegenüber der Ukraine eher wie Neokolonialismus. Unter dem Deckmantel der "Europäischen Ehrlichkeit" bringt der  Wettbewerb einseitige Vorteile für europäische und mit ihnen eng verbundene ukrainische Unternehmen.  Die Europäische Union braucht die Ukraine vor allem als Quelle für einige Rohstoffe. Und, natürlich, als Markt für europäische Unternehmen. Betrachten wir uns die Struktur des ukrainischen Außenhandels mit der EU: die überwiegende Mehrheit der Einfuhren sind Waren für den Endverbrauch (Lebensmittel, Medikamente, Autos, Elektronik, Haushaltsgeräte, etc.) und der Export von Rohstoffen dominiert.

 

Ein erheblicher Teil der ukrainischen Unternehmen halten einem Wettbewerb mit europäischen Produkten auf demselben Markt nicht stand, den sie mit der Einführung des Freihandelsabkommens überfluten werden, da die Ukraine unter den Bedingungen des Abkommens die Einfuhrzölle fast vollständig aufhebt. Und was  in diesem Fall mit den ukrainischen Produzenten passiert  hat wohl niemand bedacht. Niemand kann voraussagen welche Perspektiven sich stattdessen für die ukrainischen Unternehmen im hart umkämpften europäischen Markt öffnen. Die Summe, die die Europäer der Ukraine zur Verfügung stellt, wird auf 400 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Aber es ist zweifelhaft, ob diese auch nur ein paar Prozent der zukünftigen Verluste kompensieren kann. Die Folge der Liberalisierung der Zölle, die 98% der Waren aus Europa betreffen, wird zur schrittweisen Ersetzung von Produkten durch  europäische Wettbewerber auf dem ukrainischen Markt führen. Und die zweite Welle des europäischen Handels „Tsunamis“ spült all diese Menge auf den Markt der Länder der Zollunion, was die Bedingungen für Unternehmen im Rahmen der ZU verschlechtert. Natürlich werden wir diese Prozesse nicht nur beobachten, sondern werden Gegenmaßnahmen ergreifen, was zu einer drastischen Reduzierung des Exports ukrainischer Waren nach Russland, Weißrussland und Kasachstan führen wird. In diesem Fall kann der Verlust  Kiews bis zu 15 Milliarden US-Dollar betragen.

 

Wenn wir über den Agrarsektor der Ukraine, der 17% des BIP und 27% der nationalen Exporte erwirtschaftet, sprechen, sind die Aussichten nicht sehr rosig. Und das in einem Land, das immer die Kornkammer war und sich stets der besten Ernten rühmte. Und jetzt begeben sich die ukrainischen Bauern nicht selbstverschuldet in eine Verlustposition. In diesem Fall wegen der Subventionen, welche europäischen Bauern zugeteilt werden und von welchen Ukrainer nur träumen können.  Und so ist es trotz der einzigartigen Qualität des Ackerlands und der bewährten hochqualifizierten ukrainischen Bauernschaft.

 

Nach Ansicht von Experten erhält die Ukraine im Rahmen des Assoziierungsabkommens mit der EU ein diskriminierendes Quotensystem, welches absolut nicht den Grundsätzen der Freihandelszone entspricht. Beispielsweise wird das Jahreskontingent für die Einfuhr von Weizen zu 950.000 mit einer Steigerung in 5 Jahren auf 1 Million Tonnen festgelegt. So kann die Ukraine lediglich 50% des gelieferten Weizens ohne Ausfuhrzölle in die EU liefern. Die Restmenge ist mit 95 Euro pro Tonne zu verzollen, was den ukrainischen Weizen für den Endverbraucher um eineinhalb Mal verteuert.

 

Zusätzlichen Aufwand und enorme Kosten erfordert der Übergang zu europäischen technischen Standards und Normen, nach welchen bereits in wenigen Jahren Unternehmen und die Landwirtschaft zu arbeiten haben. In einigen Branchen muss diese Umstellung  noch schneller umgesetzt werden. So muss beispielsweise der Maschinenbau  bereits in zwei Jahren auf EU-Standards umgestellt haben. Den Weg,  den die Industriestaaten Europas (Deutschland, Frankreich, Holland, etc.) 5-6 Jahrzehnte lang gingen, hat die Ukraine in 5-10 Jahren zu überwinden. Um beurteilen zu können, wie realistisch das ist, reicht es aus, daran zu erinnern, dass in einem erheblichen Teil der ukrainischen Unternehmen noch Maschinen aus der Sowjetzeit stehen und auch die Technologien jener Zeit angewandt werden.

 

Die geschätzten Kosten für diese Veränderung belaufen sich auf 160 – 500 Mrd. Euro in einem Zeitraum von 10 Jahren, evtl. steigend. Aber in jedem Fall bedarf es sehr großen Zuweisungen. Auf eine Kompensation dieser Kosten seitens der EU zu warten wäre naiv.

 

Warum die EU nicht auf die Ukraine wartet

 

Es ist charakteristisch, dass je länger der Prozess dauert, desto bescheidener klingen die Beträge, die der Westen der Ukraine zuweist. Die amerikanischen Garantien (Anmerkung: Garantien sind nicht das Geld selber) wurden mit einer Mrd. Dollar beschrieben, als ob die Rede von einem neuen Marshallplan gewesen wäre. Aber als die Ukraine 1,45 Mrd. Euro für die Vorauszahlung des russischen Gases gebraucht hat – als Darlehen, oder in einer anderen Form, antworteten die Europäer: ja, Hilfe wird benötigt, aber wir sind nicht bereit Geld zu geben. Und Kiew hatte zu erklären: aus den eigenen Devisenreserven zu zahlen. Obwohl auch diese Reserven von externer Hilfe stark abhängig sind.

 

In der Tat brennt niemand darauf der Ukraine Geld selbst für dringendste Bedürfnisse zu geben. Europa gibt im extremsten Fall kann ein Darlehen, um die Schulden abzudecken, kurz vor dem drohenden Bankrott. Die europäische Wirtschaft befreit sich gerade selber unter Schwierigkeiten aus einer Krise. Und Brüssel wird der Ukraine nicht helfen, genauso wie es in Bezug während der Krise 2008 Griechenland, Spanien, Irland und anderen half. Und selbst dieser Schritt bedurfte innerhalb der EU langwieriger Übereinkünfte. Nicht alle "europäischen Brüder" waren bereit das Geld ihrer Steuerzahler als Hilfe für andere Länder zu geben. Aber damals ging es um Mitgliedsländer der EU, nun geht es um ein Land, das keiner in die EU aufnehmen möchte.

 

Wenn man von der „europäischen Wahl“ spricht und der Möglichkeit des schnellen Beitritts zur EU innerhalb der nächsten paar Jahre, könnten die Führer der Ukraine denselben Fehler Janukowitschs wiederholen. Janukowitsch gestand sich seinen Fehler ein und fand die Kraft zu versuchen den Prozess zu verlangsamen. Doch die heutige ukrainische Führung fokussiert die Aufmerksamkeit ihrer Landsleute nicht auf solche „Kleinigkeiten“. Sie sagen nicht, dass sie alle Standardverpflichtungen eines Beitrittskandidaten eingegangen sind,  doch der Status eines Kandidates nicht existiert. In der Ukraine gab es weder ein Dokument einer öffentlichen Diskussion noch eine ehrliche Überprüfung aller Vor- und Nachteile für die Wirtschaft insgesamt, für einzelne Unternehmen und Branchen, für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Lange Zeit gab es nicht einmal die Übersetzung der Verträge in ukrainischer Sprache.

 

Das Assoziierungsabkommen mit der EU enthält nicht nur Pflichten, sondern auch Verweise über die Aussichten der Ukraine einer Mitgliedschaft in der EU. Wie kann da nicht die Rede einer möglichen Vertretung im Europäischen Parlament und anderen Behörden sein. Wie kann da nicht die Rede von der möglichen Bereitstellung gleicher Rechte für ukrainische Staatsbürger mit EU-Bürgern, von Gesundheits- und Sozialdiensten nach europäischen Standards sowie von Visafreiheit sein.
 

Die EU hat es nicht eilig, die Ukraine an den Tisch der europäischen Staaten als gleichberechtigten Partner einzuladen. Es wird ihr noch nicht einmal ein Beistellstuhl angeboten, sondern sie hält sie bewusst auf den Rechten der „armen Lisa“: Verabredungen, die niemals mit einer Hochzeit enden werden. Es reicht sich die Türkei anzusehen: sie hat vor 51 Jahren ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet und ist bis heute nicht Mitglied der EU. Das wurde bereits als Thema für Witze aufgegriffen: Zu seiner Zeit antwortete Viktor Tschernomyrdin auf die Frage wann die Ukraine Mitglied der EU sein würde „Nach der Türkei“. „Und wann wird die Türkei Mitglied der EU?“ „Nie.“

 

Für Kiew wäre es auch sinnvoll auf die Erfahrungen ihr südwestlichen Nachbarn zu schauen, die schon in die EU eingetreten sind. Beurteilen, wie sich seit dieser Zeit ihre Wirtschaft veränderte, ob sich deren BIP danach erhöhte, ob sich danach die Einkommen ihrer Bürger erhöhten oder sanken, und welche Dynamik die Arbeitslosenzahlen nahmen. Und vor allem, ob in diesen Jahren viel an ausländischen Investitionen in ihr Land floss, oder ob im Gegenteil die Investitionen deutlich abnahmen. Zum Beispiel in Bulgarien stieg die Arbeitslosenquote von 6,9% auf 11,8%, im Zeitraum von 6 Jahren  nach dem EU-Beitritt 2007. Ausländische Investitionen verringerten sich im gleichen Zeitraum um knapp 9-mal (von 9,051 auf 1,092 Mrd. Euro). Aber diese Länder sind nicht schlechter als die Ukraine, sie sind in etwa gleich in Bezug auf ihre Entwicklung und ihrer klimatischen Bedingungen.

 

Wir sollten auch darüber sprechen, welche Rolle die Bestrebungen der EU, das noch zu Zeiten von Janukowitsch, die Ukraine so schnell wie möglich zu einer Assoziierungsvereinbarung zu drücken, spielten. Ich erinnere Sie daran, dass Russland, der größte Handelspartner der Ukraine, damals wiederholt anbot in einem trilateralen Format (Ukraine, Russland und der EU), die im Zusammenhang damit auftretenden Probleme zu diskutieren. Und jedesmal hat  die Europäische Union durch ihre Vertreter erklärt: Russland hat nichts damit zu tun, es ist ein zweiseitiger Prozess, lass Moskau an der Seitenlinie warten. Uns wollten sie nicht zuhören. Wozu dieser plötzliche Verlust des Gehörs führte, wissen wir ja bereits. Auch den neuen ukrainischen Behörden, welche Janukowitsch ersetzt haben, wird es immer offensichtlicher, dass man die Positionen Russlands nicht ignorieren darf. Sonst wäre es im Juli dieses Jahres in Brüssel nicht zu Dreiergesprächen zwischen der Ukraine, EU und Russland gekommen, die Probleme, welche mit der Assoziation verbunden sind erörterten, und im September hätten sich die Parteien nicht darauf geeinigt, dass bestimmte Bestimmungen des Vertrages erst Anfang 2016 eingeführt werden. Aber zwischen Ablehnung und Zustimmung  gemeinsam diese Fragen zu diskutieren lag eine dramatische Kette von Ereignissen. Und jetzt ist es unmöglich, nicht zu fragen: „Was wäre denn gewesen, wäre Europa damals zu einer gemeinsamen und in der Tat natürlichen und notwendigen Diskussion „herabgestiegen““? Viele Tragödien wären wohl vermieden worden. In der Ostukraine gäbe es wohl keinen Bürgerkrieg. Und Hunderttausende von Flüchtlingen hätten nicht Zuflucht in Russland gefunden. Natürlich werden wir diesen heißen Regionen auch weiterhin humanitäre zukommen lassen. Allerdings haben die ukrainischen Behörden zu verstehen, dass, wenn sie die östlichen Gebiete tatsächlich als ukrainisches Territorium ansehen,  das Errichten von überlebensfähigen Bedingungen dort in erster Linie in ihrer Verantwortung liegt. So wie sich die Russische Föderation die Verantwortung für den Aufbau von lebensfähigen Bedingungen für die Menschen der Krim auferlegt hat, welche nach dem Referendum am 16. März als Teil Russlands zurückgekehrt ist. Diese Entscheidung wurde getroffen und wir halten dieses Thema für abgeschlossen.

 

Kiew ist nach Beurteilung der jüngsten Schritte nicht bereit, selbst Verantwortung für die östlichen Regionen zu übernehmen. In so weit nicht bereit, dass der Donbass und Lugansk sich in einer Wirtschaftsblockade wiederfinden, die den eigenen Bürgern von ihren zentralen Behörden erklärt wurde. Ist es denn nicht genug auf Zivilisten zu schießen, die  ihre eigenen Landsleute sind? Müssen denn die Menschen auch wirtschaftlich zerstört werden und zudem ganze Regionen? Dies ist beispiellos. Oder was ist mit dem Befehl der Beendigung der Tätigkeiten staatlicher Organisationen, der Abtransport ihres Eigentums und ihrer Dokumentation, die Beendigung der Bankentätigkeit für alle Unternehmen und Privatpersonen,  welche die Bevölkerung ihrer gesamten Lebensgrundlage beraubt, in der Hoffnung,  dass Armut und Hunger die Bewohner der östlichen Regionen gefügig machen? Offenbar versteht Kiew so den Friedensprozess. Das sind also die „stärksten“ Argumente für die Ostukraine, um sie vom gemeinsamen europäischen Weg zu überzeugen.

 

Pragmatische Zukunft

 

Die Ukraine setzt Schranken

 

Der heutige Geisteszustand eines Teils der ukrainischen Elite spiegelt sich ganz in den Plänen zum Bau einer "Mauer" verschiedener Konfigurationen zwischen Kiew und Moskau wider. Höhere und niedrigere, mit elektrischem Strom oder mit Stacheldraht, mit Wassergraben oder einfachem Graben. Dieser Schein des politischen Theaters überträgt sich auf die Realwirtschaft.

 

Wir hören, dass angeblich die gesamte Ukraine bereit ist, alle Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Russland aufzugeben: sie auf ein Minimum zu reduzieren, und dort wo es möglich ist, sie auf Null zu setzen. Null Gas, ein Minimum an Öl, Autos, Maschinen – wegen der „Mauer“; Null Motoren, ein Minimum an Rohre, Metalle, Baumstoffe – für die „Mauer“. Beispielsweise beharrt die ukrainische Führung unter Federführung der USA hartnäckig am für die Ukraine absolut unrentablen Projekt der Pipeline Odessa-Brody, um den Transit russischen Öls durch die Ukraine zu reduzieren. Viel Mühe wurde auch für die Suche nach alternativen Lieferungen von Erdgas aufgewendet, die natürlich Phantasien entwickelt, doch in der Realität völlig irrelevant sind.

 

Russland wird seine Märkte schützen

 

Ich bezweifle ernsthaft die Fähigkeit der Kiewer Strategen, nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen unserer beiden Länder auf Null zu setzen. Obwohl sie schwere und sogar schwerste Schäden verursachen können. Und beide Staaten fühlen das bereits. Russland wird durch die Verluste leiden, aber es wird wirtschaftlich überleben.

 

Und wie ihrerseits wollen sie diejenigen überleben, die geistig bereits „hinter der Mauer“ leben? Im Frühjahr dieses Jahres hat unser Ministerium für Industrie den Gesamtbestand der russischen Aufträge an ukrainischen Unternehmen auf 15 Milliarden Dollar (oder 8,2% des BIP der Ukraine) geschätzt. Niemand in der Ukraine hat weder uns noch sich selbst erklärt, mit was und von wem diese Aufträge ersetzt werden. Was wird mit Dutzenden und Hunderten Betrieben, mit ganzen Industriegebieten passieren? Was mit solch einzigartigen Produktionsstätten wie selbst „Pivdenmash“ passieren wird, sehen wir daran, dass sie, so weit wir wissen, am Rande des Bankrottes steht.

 

Im November wurde im Gebiet Orenburg von der Startanlage „Jasny“ die russisch-ukrainische Rakete "Dnepr" gestartet, welche einen japanischen Satelliten zur Fernerkundung der Erde und vier weitere japanische Weltraumapparate in den Orbit beförderte. Das Ereignis ist nicht sensationell, aber in der gegenwärtigen Situation demonstrativ: diese Zusammenarbeit wurde in Jahrzehnten aufgebaut, doch versucht man sie innerhalb von wenigen Monaten zu zerstören.

 

Wir haben unsere ukrainischen Partner rechtzeitig gewarnt: die Verschlechterung unserer Beziehungen ist im Falle der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU in der Form, in der es unterzeichnet wurde, unvermeidlich. Schätzungen zufolge wird die ukrainische Wirtschaft jährlich mindestens 33 Milliarden Dollar verlieren. Russland wird die Interessen seiner Produzenten und Märkte schützen.

 

Im September unterzeichnete ich einen Erlass über die Erhöhung der Zollsätze für Waren, die aus der Ukraine nach Russland importiert werden, auf das Niveau, welches von der Zollunion für Drittländer festgelegt wurde. Es wird für den Fall Anwendung finden, dass einzelne Bestimmungen des Handels- und Wirtschaftsabkommen mit der EU vorzeitig in Kraft treten und nicht ab dem 1. Januar 2016. Wir haben auch ein Überwachungssystem ins Leben gerufen, dass die Leistungen des wirtschaftlichen Teils des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU überprüft, um das mögliche Auftauchen von Waren der EU zu Dumpingpreisen auf dem russischen Markt unter dem Deckmantel ukrainischer Waren zu verfolgen. Auf die Kontrollliste kam nahezu die gesamte ukrainische Produktion – vom Schweinefleisch bis hin zu Schiffen. Im Falle der Entdeckung solcher „ukrainischer“ Waren, werden sie gemäß der geltenden Sätze verzollt, um unsere eigenen Produzenten vor unlauterem Wettbewerb zu schützen.

 

Es gibt auch andere Probleme, die das Abkommen mit der EU mit sich bringt. Wir erwarten, dass die Umsetzung der Verpflichtungen der Ukraine zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungs-vorschriften an die Normen der Europäischen Union zu einer drastischen Reduzierung des Informationsaustauschs zwischen unseren Zollbehörden führen wird. Faktisch geht es um den schrittweisen Verlust der Souveränität der Ukraine in Zollregelungen. Das wird den Austausch von Vorabinformationen zwischen uns, Nachbarn, erschweren, das System der gegenseitigen Anerkennung der Resultate der Zollkontrolle schwächen, das uns derzeit erlaubt, das Kontrollverfahren an der Grenze zu beschleunigen. Und das ist verwunderlich. Anstatt die Kommunikation über seit langem etablierte Kanäle zu nutzen, werden Moskau und Kiew gezwungen werden, über Brüssel miteinander zu sprechen und ukrainische Beamten werden nur das tun, was ihnen europäische Bürokraten vorschreiben.

 

Aufgrund der Unterschiede in vielen technischen Vorschriften, Normen und Richtlinien, werden ukrainischen Bauern nicht in der Lage sein, auf den russischen Markt zu gelangen. Die Ereignisse der letzten Monate beweisen das. Wir hatten Kontrollen an ukrainischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen durchzuführen, und wir konnten systemische Verstöße gegen unsere Standards feststellen, sowohl in der Qualität, als auch in der Sicherheit und den Anforderungen der Verbraucher. Derzeit erleben die Wirtschaftsbeziehungen dieser Branche nicht die besten Zeiten. Das Fehlen einer Regionalisierung Europas verlangt von uns jedes Mal unseren Markt auch für ukrainische Produkte zu schließen, auch wenn der Fokus auftretender Krankheiten auf dem  gegenüberliegenden Teil Europas liegt. In diesem Zusammenhang sehen wir erhebliche Risiken für die Volkswirtschaften unserer Partner in der Zollunion, sowie für die anderen GUS-Staaten. Insbesondere gilt dies für Weißrussland, das einen beträchtlichen Handel mit der Ukraine treibt.

 

Welche Risiken sieht Russland für sich

 

Obwohl eine Reihe von Problemen nicht direkt mit dem Vertrag verbunden ist, sind sie trotzdem Teil der neuen wirtschaftlichen Realität. Wir beobachten mit großer Sorge Beispiele von Verletzung der Eigentumsrechte russischer Unternehmen auf dem Territorium der Ukraine und populistische Parolen, wie "kauft nichts russisches." Einzelne Fälle von Druck konnten wir schon lange vor den Ereignissen diesen Jahres beobachtet, doch nun ist er weit verbreitet. Viele Geschäftsleute  gaben zu, dass der Schutz ihrer Eigentumsrechte in der Ukraine, seit der Einführung  der neuen Regierung immer schwieriger wird.

 

Einige Fälle erinnern mehr an „Makhnovshchina“[1] als an europäische Werte. Zum Beispiel wurde über die Enteignung durch Dutzende von neuen "KamAz" Kämpfer  des „Majdaner Selbstschutzes“ in der Presse im März ausführlich berichtet. Der russische Ölkonzern „Lukoil“, der friedlich selbst im Irak vertreten ist, wurde gezwungen Tankstellen in der Ukraine zu verkaufen. Es finden Angriffe bewaffneter Männer auf Banken und Unternehmen, welche Russen gehören, unter dem Vorwand, sie würden den Terrorismus finanzieren. In vielen Städten wurden Akte des Vandalismus durch Vertreter des „Rechten Sektors“ durchgeführt. Ich möchte daran erinnern, dass es keine Forderungen seitens der kontrollierenden Organe gegenüber russischen Banken und Unternehmen gab – sie haben all ihre Verpflichtungen erfüllt. Wir stufen dies als pure Gewalttaten ein. Und die Tatsache, dass die ukrainischen Sicherheitskräfte nicht zum Schutz der russischen Geschäftsleute eingreifen, gibt das Recht anzunehmen, dass dies ein Teil der Staatspolitik wurde.

 

Uns kann der Versuch der ukrainischen Führung die industrielle Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kernenergie aus den Angeln zu heben nicht ohne Sorgen lassen. Als ein  gefährliches Beispiel zum Thema gefährlicher Auswirkungen der Politik auf die Wirtschaft kann der Versuch amerikanische Brennelemente in ukrainische Kernkraftwerke sowjetischer Bauart einzubauen, dienen. Diese sind mit unserer Forschung und Entwicklung nicht kompatibel. Die unter dem Druck amerikanischer Hersteller durchgeführten technologischen Versuche sind höchst gefährlich. Sie haben bereits früher in der Ukraine und in Osteuropa, so beispielsweise in der Tschechischen Republik versucht, die russischen Brennelemente durch amerikanische zu ersetzen. Diese Experimente führten zu schweren technologischen Problemen und zum Herunterfahren des Reaktors. Nur gut, dass sich der gesunde Menschenverstand durchgesetzt hat und es Russland und der Ukraine gelungen ist, eine Vereinbarung über die Lieferung von Kernbrennstoffen im nächsten Jahr zu erzielen.

 

Ich möchte daran erinnern, dass selbst in den schwersten Zeiten der Verschlimmerung des bewaffneten innerukrainischen Konflikts, die russische Seite ihre Verpflichtungen gegenüber der Ukraine bezüglich der Lieferung von Kernbrennstoff für ukrainische Kernkraftwerke immer vollständig erfüllt hat und auch weiterhin erfüllen wird.  

 

Die Ukraine plante, ihre eigene Brennelementproduktion mit russischer Hilfe aufzubauen. Wir haben für dieses Werk in Novosibirsk bereits eine Reihe von Produktionslinien aufgebaut. Doch der Bau der Werkstätten im Kirowograd Gebiet findet nicht statt.

 

Sichtbar steigen in der Ukraine auch die Transitrisiken, nicht für die Pipelines. Obwohl die geographische Lage des Landes es ihr ermöglicht hier eine wichtige Rolle zu spielen. Es gibt Fragen, die Sicherheit auf den Straßen und der Schiene betreffend,  sowie den Warentransport über ukrainische Häfen. Viele, nicht nur Russland, werden wahrscheinlich ihre Routen für  ihre Produkte nach Mittel- und Südeuropa ändern. Auf diese Weise wird die Frage nach der Beteiligung der Ukraine an den globalen Transitrouten Ost-West- und Nord-Süd gestellt.

 

Und natürlich gibt es das Problem mit dem Gastransit durch die Ukraine – zugegeben, das Problem taucht schon lange auf und ist bis heute nicht von der Tagesordnung verschwunden. Heute ist die Gasfrage nur vorübergehend behoben. In Einklang mit den Brüsseler Vereinbarungen hat die Ukraine bis zum Ende des Jahres 3,1 Mrd. ihrer „Gazprom“-Schulden von 5,3 Mrd $ zu tilgen und die zusätzlichen Mengen an Gas für den Winter gegen Vorauszahlung zu kaufen. In der Zeit vom 1.November 2014 bis zum 31.März 2015 erhält die Ukraine ein Rabatt von 100 Dollar pro 1000m³ auf den Vertragspreis. Somit beträgt der Preis für russisches Gas für die Ukraine im November und im Dezember $ 378 pro 1000m³. Anfang Dezember hat "Naftogaz" 378 Mio $ als Vorauszahlung für   1 Milliarden m³ Gas bezahlt.

 

Das so genannten "Winterpaket"-Abkommen wurde nur durch die direkte Zusammenarbeit von Vertretern Russlands und der EU erreicht. Die EU fühlte sich tatsächlich von Seiten der Ukraine bezüglich des Transits von russischem Gas bedroht. Und unternahmen deswegen Maßnahmen, welche wenigstens zu einer zeitweiligen Vereinbarung führten. Die Bedingungen einer weiteren Zusammenarbeit – das ist die Frage der Verhandlung und der sorgfältigen Einhaltung des Zeitplans der Zahlungen Kiews.

 

Und noch eine Tatsache errichte eine „Mauer“ – der Wunsch der ukrainischen Behörden eine Visaregelung mit Russland einzuführen. Hat irgendjemand überhaupt mal nachgerechnet, welche „Dividenden“, eine allgemeine Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern, den Ukrainern und der ukrainischen Wirtschaft einbringen wird?

 

Schäden werden durch den Rückgang  der Überweisungen nach Hause von in Russland arbeitenden Ukrainern verursacht. Und zum heutigen Tag beträgt die Anzahl allein an hochqualifizierten Spezialisten, und denjenigen, welche mit offizieller Genehmigung oder durch Patente in Russland arbeiten, fast 400.000 Menschen.  Aber hier handelt es sich lediglich um die offizielle Statistik, welche nicht das Gesamtbild der engen Beziehungen und offenen Grenzen zeichnet. Experten argumentieren, dass zur Saisonarbeit bis an die 6 Millionen Ukrainer nach Russland kommen. Ich möchte dabei feststellen, dass seit dem 1. Januar 2014 mehr als 4 Millionen Menschen nach Russland kamen. Das ist fast ein Zehntel der Gesamtbevölkerung der Ukraine. Sie haben eine zweite Heimat in Russland – Verwandte, Freunde, Arbeit, einschließlich der Saisonarbeit. Kein Wunder, dass einige sagen, dass der Osten der Ukraine für Russland und der Westen in Russland arbeitet.

 

Für viele Ukrainer ist die Arbeit in Russland  die einzige Quelle des Lebensunterhalts. Und nur wegen der Handlungen der Ukraine wird Russland gezwungen sein, diese Quelle zu schließen. Ab dem 01.Januar 2015 werden die „grauen“ ukrainischen Arbeiter, welche die Hauptanzahl der Arbeiter aus der Ukraine stellt, keine Arbeit mehr in Russland ohne Patent erhalten.  Auch werden wir die Einhaltung  der Länge des Aufenthalts im Land rigoroser handhaben und überprüfen – 90 Tage innerhalb von sechs Monaten. Bisher hat es gereicht Russland zu verlassen und wieder einzureisen, um  problemlos hier die nächsten drei Monate zu arbeiten. Nun werden unsere Grenzer und der Zoll diese ukrainischen „Reisenden“ mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnen.

 

Die wahrscheinlichen Verluste der Ukrainer, wenn sie ihr Einkommen in Russland verlieren, belaufen sich auf geschätzte 11-13 Milliarden Dollar. Das ist nicht mehr und nicht weniger als ca. 7% des BIP. Ich möchte die Kiewer Politiker fragen: habt ihr auch diese Belastung für den Staatshaushalt berücksichtigt, ganz zu schweigen vom Budget ukrainischer Familien?

 

Neue Prinzipien unserer Beziehungen

 

Bei vielen in der Ukraine herrscht jetzt die revolutionäre Euphorie vor. Es scheint, es würde reichen, die gemeinsame Vergangenheit auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen und alles auf einem weißen Blatt neu anzufangen. Das Leben wird komfortabel und wohlhabend sein. Nur wird das Blatt schmutzig sein. Auf ihm befindet sich bereits Blut. Die ukrainische Gesellschaft bezahlt bereits für diese Illusionen, mit welchen sie derzeit von der führenden Elite großzügig gefüttert wird, träumend über das Erscheinen europäischer Pässe in ihren Hosentaschen. Von den Opfern dieser Illusionen hören wir jeden Tag. Es sterben weiterhin Soldaten und friedliche ukrainische Zivilisten an „Kugeln des Waffenstillstandes“. Es wird noch weitere Opfer geben, die unvermeidlich sind, in einem Land, in dem die Menschen nicht genug Geld für Medikamente, Lebensmittel, Kindererziehung und Bildung haben. Kurz gesagt für ein normales Leben. Wir haben für all diese Menschen ein großes Mitgefühl.

 

Allerdings hat der ukrainische Staat seine Wahl getroffen. Und selbst wenn sich unsere Nachbarn jetzt schlecht vorstellen können, einen Preis bezahlen zu müssen, der zu zahlen sein wird, haben sie das Recht dazu. Einschließlich des Rechts falsch zu liegen.

 

Für Russland ist es natürlich schwierig eine solche Wahl zu akzeptieren, aber nicht wegen der rückkehrenden Moskauer „imperialen Ambitionen“. Immer noch, 360 Jahre nach der Zeit des Vertrags von Perejaslaw, sahen wir uns  gegenseitig als Familie, wo es durchaus Fälle von Streitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen gibt. Aber Schwierigkeiten und Gefahren  überwanden wir stets zusammen. Und es gab sowohl eine gemeinsame Freude, als auch ein gemeinsames Leid und natürlich ein gemeinsames Siegen.

 

Der beste Weg um zu beweisen, dass wir in Russland die Ukraine als souveränen Staat schätzten und schätzen, ist die Anerkennung ihres Rechts Entscheidungen zu treffen. Aber die Ukraine muss verstehen, dass jede Entscheidung in erster Linie eine große Verantwortung in sich trägt. In eine wohlgenährte, europäische Zukunft muss man sich hart hineinarbeiten und kann nicht einfach „hinein springen“. Wenn ihr wie Europäer leben wollt, dann lernt die Rechnungen zu bezahlen. Für den Anfang – die russischen.

 

Unsere Länder sind Nachbarn und doch können sie nicht zusammen arbeiten. Gerade jetzt wird diese Zusammenarbeit ausschließlich, man kann sagen „europäisch“ rational und pragmatisch. Russland beabsichtigt seine nationalen Interessen streng zu berücksichtigen. Und wird sie hart verteidigen – wie in jedem anderen Fall gleichberechtigter Partner. Beim Aufbau von Beziehungen in der neuen Umgebung, lassen wir Emotionen und "familiäre Gefühle" außen vor. Und wir werden die ukrainische Wirtschaft nicht weiter unterstützen. Für uns ist das unrentabel. Ja, und ehrlich gesagt, wir sind es leid.

 

Möglich, dass unseren Ländern genau dieser, etwas kalte, Pragmatismus  in Politik und Wirtschaft in den ganzen Jahren nach dem Zusammenbruch der UdSSR fehlte. Und jetzt, nach schweren Strapazen und Verlusten, haben wir die Chance eine echte Geschäftsbeziehung zum gegenseitigen Vorteil aufzubauen.

 

[1] Nestor Iwanowitsch Machno war ein ukrainischer Anarchist, der zwischen 1917 und 1921, während des russischen Bürgerkriegs, zum Anführer der nach ihm benannten Machnowschtschina, einer anarchistischen Volksbewegung in der Ukraine, wurde