1947: Deportation der ukrainischen Bevölkerung im neuen Polen
Deportation, Verteibung, Raub, Mord,
Konzentrationslager, Assimilation und Volkstod
keine "Westverschiebung" Polens nach dem Krieg
Die Aktion Weichsel bezeichnet die Deportation der ukrainischen Bevölkerung in die Nord- und Westgebiete Polens im Jahre 1947. Dies sind insbesondere die deutschen Ostgebiete.
Im Jahre 1943 erklärte Alfred Lampe, Mitautor des politischen Programms der polnischen Kommunisten in der UdSSR – des Verbands Polnischer Patrioten – in seinem Artikel in der Zeitschrift Wolna Polska (Freies Polen) mit dem Titel Polens Platz in Europa, dass das künftige Polen ein Nationalstaat sein werde. Zur Erreichung dieses Ziels war es seiner Meinung nach notwendig, die polnischen Gebiete von den ethnisch-ukrainischen, -weißrussischen und -litauischen abzugrenzen.
Die Behörden versuchten das Volk davon zu überzeugen, dass sich das neue Polen infolge der Grenzverschiebung seiner nationalen Minderheiten und der damit verbundenen Schwierigkeiten entledigt habe. Das national einheitliche Nachkriegspolen sollte im Gegensatz zum Multinationalismus der Zweiten Polnischen Republik stehen. Die Tatsache, dass sich im Jahre 1945 innerhalb der Staatsgrenzen etwa vier Millionen nicht-polnische Einwohner aufhielten, wurde als Übergangszustand betrachtet, denn sie sollten Polen verlassen.
Innerhalb der polnischen Nachkriegsgrenzen waren etwa 650-700.000 Ukrainer geblieben. Auf Initiative der sowjetischen Behörden beschlossen das Polnische Komitee zur Nationalen Befreiung und die Regierung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik am 9. September 1945 einen Vertrag über den Bevölkerungsaustausch. Er umfasste Polen und Juden, ehemalige polnische Staatsbürger, die jetzt in der Ukraine ansässig waren, sowie die Ukrainer in Polen.
Am 15. Oktober begann die Umsiedlung der ukrainischen Bevölkerung aus Polen. Anfänglich verließen Ukrainer Polen, die ihre Angehörigen und ihren Besitz infolge der polnisch-ukrainischen Kämpfe und der durchziehenden Front verloren hatten. Doch die entschiedene Mehrheit der Ukrainer wollte, trotz ursprünglich anderer Erklärungen, im bisherigen Gebiet bleiben. Sie betrachtete ihre Wohnorte nämlich als ihren ukrainischen Heimatboden, den sie nicht verlassen wollte, zumal die Ukraine kein unabhängiger Staat war. Die Ukrainische Aufständische Armee UPA (die hauptsächlich in den Westgebieten der sowjetischen Ukraine aktiv war) forderte die Bevölkerung zum Verbleib am bisherigen Aufenthaltsort auf, da sie es sich zum Ziel gesetzt hatte, einen unabhängigen ukrainischen Staat zu gründen. Darauf hin entschlossen sich die Behörden, die Ukrainer zum Verlassen Polens zu zwingen.
Nach anfänglicher Ermutigung der Ukrainer zur Ausreise, bei der alle Schulden sowie laufende Leistungen in natura, Steuern und Versicherungsbeiträge erlassen werden sollten, gingen die Behörden dazu über, die Ukrainer zur Ausreise zu zwingen, zunächst mit verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Methoden. Als dies nicht zum erwarteten Ergebnis führte, wurden am 3. September 1945 die 3., 8. und 9. Infanteriedivision der Polnischen Armee in das süd-östliche Polen geschickt mit der Aufgabe, die Ukrainer auszusiedeln. Die Armee siedelte ganze Dörfer aus, wobei sie den Bewohnern etwa zwei Stunden zur Vorbereitung der Ausreise ließ. Oft ging die Armee bei diesen Aktionen mit aller Brutalität vor, und rechtfertigte dies dann anschließend mit dem Kampf gegen die UPA. Insgesamt wurden in den Jahren 1944-1946 etwa 500.000 Ukrainer aus Polen ausgesiedelt.
Das Engagement der Armee bei der Umsiedlungsaktion führte jedoch nicht zur Aussiedlung aller Ukrainer. Nach heutigen Schätzungen hielten sich Ende 1946 noch etwa 150-200.000 Ukrainer im süd-östlichen Gebiet Polens auf. Darauf hin entschloss man sich, die verbliebene ukrainische Bevölkerung in die West- und Nordgebiete Polens zu deportieren.
Die organisatorisch-technischen Vorbereitungen zur Deportation der ukrainischen Bevölkerung in die West- und Nordgebiete Polens begannen im Januar 1947. Der Generalstab der Polnischen Armee erteilte den im südöstlichen Polen stationierten Abteilungen den Befehl, alle in diesem Gebiet weiterhin lebenden ukrainischen Familien zu registrieren. Am 27. März forderte die Operative Sektion der III. Abteilung des Generalstabs der Polnischen Armee „die energische Umsiedlung dieser Menschen in einzelnen Familien durchzuführen und sie in den Wiedergewonnenen Gebieten zu zerstreuen, wo sie sich schnell assimilieren werden.“ Von diesem Moment an wurde die antiukrainische Propaganda massiv entfesselt. Die Ukrainer wurden als die Hauptfeinde der Polen und Polens dargestellt. In entsprechend inszenierten Filmen und Fotos wurden verhaftete angebliche Mitglieder der UPA oder ihre Sympathisanten dargestellt. Entgegen der Tatsachen wurde behauptet, ukrainische Formationen hätten an der Niederschlagung des Warschauer Aufstands teilgenommen.
Am 29. März 1947 beschloss das Politbüro des Zentralkomitees der Polnischen Arbeiterpartei folgendes:
„1. Schnell die Ukrainer und gemischte Familien in die Wiedergewonnenen Gebiete umsiedeln (vor allem nach Ostpreußen), ohne dabei geschlossene Gruppen zu bilden, und in einer Mindestentfernung von 100 km von der Grenze entfernt.
2. Die Umsiedlungsaktion mit der Regierung der Sowjetunion und der Tschechoslowakei absprechen.
3. Die Zusammenstellung aller Daten über die ukrainische Bevölkerung in Polen sowie die Ausarbeitung des Umsiedlungsprojekts sollen die Genossen Spychalski und Radkiewicz innerhalb einer Woche erledigen.“ Man beantragte auch die Schaffung von „Konzentrationslagern“ für Ukrainer, die der Zusammenarbeit mit der UPA verdächtigt wurden und die Bildung von Standgerichten. Der Staat sollte den ganzen ukrainischen Besitz übernehmen und Polen in den ehemals ukrainischen Bauernhöfen ansiedeln. Diese Vorschläge, erweitert um die Forderung, die Anzahl der Armeeeinheiten zur Bekämpfung der UPA-Abteilungen zu vergrößern, wurden später vom Wojewodschaftskomitee für Sicherheit in Rzeszów angenommen und an die Staatliche Sicherheitskommission weitergeleitet.
Am 17. April 1947 gab letztere eine Anweisung an die Operative Gruppe „Weichsel“ heraus. Darin wurde angeordnet, die UPA-Abteilungen zu vernichten, weiterhin unter Teilnahme des Staatlichen Repatriierungsamtes die Ukrainer sowie „alle Schattierungen der ukrainischen Nationalität“ umzusiedeln, „auch jene gemischt polnisch-ukrainischen Familien, die mit der UPA zusammengearbeitet haben“. Dabei sollte das Gebiet südöstlich von Baligrod vollständig ausgesiedelt werden. Am nächsten Tag erteilte der Minister für Nationale Verteidigung M. Żymierski einen Organisationsbefehl an die Operative Gruppe „Weichsel“, in der er Gen. S. Mossor zum Befehlshaber ernannte, und Oberst G. Korczyński, Oberstleutnant B. Sidziński und Oberstleutnant J. Hubner zu dessen Stellvertretern. Stabschef wurde Oberst Michał Chiliński. Dem Kommando der Operativen Gruppe „Weichsel“ wurden auch Vertreter des Ministeriums für Verwaltung, des Verkehrsministeriums, des Staatlichen Repatriierungsamtes sowie der Hauptkommandantur der Miliz zugeteilt. Zum Bevollmächtigten des Verwaltungsministeriums für Fragen der Umsiedlung der ukrainischen Bevölkerung wurde Józef Bednarz ernannt.
Am 24. März 1947 fasste das Präsidium des Ministerrates den Beschluss zur Aktion „Weichsel“. Kraft dieses Beschlusses wurde General S. Mossor, der zugleich Befehlshaber der Operativen Gruppe „Weichsel“ war, vom Verteidigungsminister M. Żymierski, zum Regierungsbevollmächtigten für die Aktion der Umsiedlung der ukrainischen Bevölkerung und für den Kampf gegen die UPA ernannt. Am selben Tag erteilte General S. Mossor den ihm unterstehenden Kommandeuren der Einheiten den Befehl, gemeinsam mit Funktionären des Staatssicherheitsamtes am 24. und 25. April Verhaftungen nach zuvor erstellten Listen innerhalb der ukrainischen Bevölkerung durchzuführen. Gleichzeitig erhielten alle Armeeeinheiten der Operativen Gruppe „Weichsel“ Anweisungen zur Organisation der Aussiedlung der Bevölkerung. Auf deren Grundlage gaben die Befehlshaber der einzelnen Divisionen den ihnen unterstehenden Armeeabteilungen Aussiedlungsbefehle.
Am 28. April 1947 begann die Operationsgruppe „Weichsel“ im Rahmen der Aktion „Weichsel“ mit der Deportation der Ukrainer in die West- und Nordgebiete Polens.
Zu einem Symbol der Repression seitens der polnischen Behörden in der Aktion „Weichsel“ wurde das Zentrale Arbeitslager in Jaworzno, gegründet auf der Basis des während des Krieges existierenden Nazi-Konzentrationslagers Dachsgrube, eines Außenlagers von Auschwitz. Dort wurden Deutsche und Polen sowie, kraft einer Entscheidung des Politbüros des Zentralkomitees der Polnischen Arbeiterpartei vom 23. April 1947, auch Ukrainer, die verdächtigt wurden, mit der UPA zusammenzuarbeiten, und Vertreter der ukrainischen Intelligenz und Geistlichkeit gefangen gehalten. Insgesamt kamen 3.873 Personen ins Lager, darunter 700 Frauen und Kinder sowie 22 griechisch-katholische und 5 orthodoxe Priester. Die festgehaltenen Personen wurden raffinierter psychischer und physischer Folter ausgesetzt. In deren Folge sowie in Folge von Unterernährung und Krankheiten verloren mindestens 161 Personen ihr Leben.
Im Morgengrauen umstellte die Armee das Dorf und befahl den Einwohnern, ihre Abreise vorzubereiten. Sie gab ihnen etwa zwei Stunden zum Packen und Mitnehmen der notwendigsten Sachen und des Inventars. Es kam vor, dass die Aussiedlungsabteilung die Zeit bis zur Abfahrt auf 20 Minuten einschränkte. Eine so kurze Packzeit bewirkte, dass die Menschen nicht einmal die allernötigsten Dinge mitnehmen konnten. Hinzu kam ein spürbarer Mangel an Transportmitteln. Daher gab es für zwei bis drei Familien nur ein Fuhrwerk. Es kam vor, dass die Ausgesiedelten ihr Hab und Gut auf dem Rücken tragen mussten oder die Armee die Menge des Gepäcks auf 25 kg pro Person beschränkte. Nachdem eine Kolonne gebildet worden war, brachte man die Aussiedler unter Armeeaufsicht zum Sammelpunkt. Dort wurden die Einwohner mehrer Orte versammelt und warteten auf einen Transport zur Verladestation. Es kam auch vor, dass Polen zu den Sammelpunkten kamen, um Inventar zu requirieren.
Von den Sammelpunkten wurde die Bevölkerung zur Verladestation gebracht. Dort fand die Verladung der Menschen und des Inventars in Waggons statt, nach Listen, auf denen sich Familien aus mehreren, oft sogar mehr als einem Dutzend Dörfer befanden. Bekannt ist das Beispiel der Einwohner des Dorfes Florynka, die in einem Gebiet von 30 Dörfern in 6 Kreisen angesiedelt wurden. Laut Anordnung sollten in einem Waggon 2 Familien untergebracht werden. In der Praxis sah das jedoch sehr unterschiedlich aus. Als eines der drastischsten Beispiele kann der Bahnhof in Sanok dienen, wo in 31 Waggons 897 Personen, 24 Pferde, 120 Kühe, 45 Ziegen, 7 Kälber und 2 Fohlen untergebracht wurden. In diesem Transport sollten in 13 Waggons 787 Personen Platz finden, also durchschnittlich 60 Personen pro Waggon. In die anderen Waggons wurden die übrigen Personen zusammen mit dem Inventar verladen. Bevor der Transport sich in Bewegung setzte, waren zwei Kinder verstorben. Von den Verladestationen hat man die Transporte zunächst an sogenannte Richtpunkte in Kattowitz (Auschwitz) und Lublin geschickt. Von dort leitete man sie unter Militäraufsicht, an die Verteilungspunkte weiter. Für diese Strecke wurden durchschnittlich 7 Tage gebraucht. In der Anfangszeit der Aktion „Weichsel“ gab es solche Verteilungspunkte in Szczecinek (Neustettin) für die Wojewodschaft Stettin und Danzig und in Allenstein für die Wojewodschaft Allenstein, Białystok und Danzig. Am 23. Mai 1947 wurden zwei weitere Verteilungspunkte in Posen für die Wojewodschaft Lubuskie und Kattowitz später Oleśnica (Oels) für die Wojewodschaft Breslau bestimmt.
Transporte der ukrainischen Bevölkerung kamen bis zum 15. August 1947 systematisch in den West- und Nordgebieten Polens an. Bis zu diesem Tag hatte man insgesamt 33.154 Familien angesiedelt, also 140.662 Personen. Die meisten kamen in die Wojewodschaft Allenstein (55.089 Personen), dann in die Wojewodschaft Stettin (48.465 Personen), Breslau (21.237 Personen), Posen (8.042), Danzig (6.838) und Białystok (991 Personen). Nach dem 15. August kamen weiterhin, aber unregelmäßig, Transporte mit deportierter ukrainischer Bevölkerung an. Es ist bekannt, dass im September und Oktober aus den Kreisen Hrubieszów und Tomaszów Lubelski vier Transporte, die 919 Personen zählten, geschickt worden waren.
Die deportierten Ukrainer wurden von den Behörden vor allem auf dem Lande angesiedelt. Aufgrund der wenigen erhaltenen Daten kann man annehmen, dass etwa 10 Prozent der ukrainischen Bevölkerung in Städten angesiedelt wurden. Daraus folgt, dass etwa 90 Prozent aufs Land kamen, davon nach Schätzungsangaben über 80 Prozent auf individuelle Bauernhöfe, etwa 10 Prozent als Landarbeiter auf staatliche Landgüter und etwa 5 Prozent auf parzellierte Landgüter, die übrigen wurden Waldarbeiter u. ä. Zu Beginn der Aktion „Weichsel“ wurden der ukrainischen Bevölkerung vor allem individuelle Bauernhöfe zugeteilt; später als es bereits an solchen mangelte, wurde sie in parzellierten Landgütern bei den Staatlichen Landimmobilien untergebracht.
In manchen Kreisen wurde der Anteil von 10 Prozent Ukrainern im Verhältnis zur Gesamtzahl der Einwohner überschritten: in der Wojewodschaft Allenstein insgesamt 11,6 Prozent, in den Kreisen Iława (Deutsch-Eylau) 41,2 Prozent, Braniewo (Braunsberg) 35,2 Prozent, Węgorzewo (Angerburg) 35,1 Prozent, Pasłęk (Preussisch Holland) 25,7 Prozent, Bartoszyce (Bartenstein) 20,6 Prozent, Kętrzyn (Rastenburg) 18,2, Giżycko (Lötzen) 12,4 Prozent, Morąg (Mohrungen) (12,1 Prozent) und Lidzbark (Heilsberg) 11,2 Prozent. In der Wojewodschaft Stettin betrug dieser Prozentsatz in den Kreisen Człuchów (Schlochau) 20,8 Prozent, Miastko (Rummelsburg) 13,6 Prozent und Bytów (Bütow) 10,3 Prozent; in der Wojewodschaft Breslau in den Kreisen Lubin (Lüben) 14,1 Prozent und Środa (Neumarkt i. Schles.) 10,1. Manche Gemeinden zeichneten sich durch einen besonders hohen Prozentsatz von Ukrainern aus. Zum Beispiel betrug er im Kreis Węgorzewo in den Gemeinden Banie Mazurskie 71 Prozent, Kuty 64 Prozent, Budry (Buddern) 50 Prozent und Węgorzewo 45 Prozent. Von 92 Dörfern in diesem Landkreis überschritten 57 einen Anteil von 40 Prozent Ukrainern im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, und manche Dörfer wurden gänzlich mit Ukrainern besiedelt. Ähnlich sah es auch in anderen Gebieten aus.
Dies machte die erneute Umsiedlung von mehreren Tausend Familien nötig. In der Wojewodschaft Allenstein entschied man aufgrund der großen Anzahl ukrainischer Familien Umsiedlungen durchzuführen, wenn die Anzahl der Ukrainer in der jeweiligen Gemeinde 40 Prozent überschritt, oder wenn sie in einer 15 km – Zone um Allenstein angesiedelt worden waren. Gleichzeitig wurde von den Landratsämtern gefordert, den Überschuss an ukrainischer Bevölkerung in den Gemeinden des Landkreises zu verteilen. Die Aktion dieser „Verschiebung“ der ukrainischen Bevölkerung wurde im Jahre 1948 durchgeführt; jedoch wurden nicht alle geplanten Familien davon erfasst. Haupthindernis war vor allem das Fehlen freier Bauernhöfe. Trotzdem stieg die Anzahl der Landkreise, in denen Ukrainer angesiedelt wurden, von 66 auf mindestens 74.
Die Zentralbehörden sprachen den Zweck ihres Umgangs mit der ukrainischen Bevölkerung offen an. In derselben Anordnung wurde direkt festgestellt: „Das Hauptziel der Umsiedlung der ‚W’-Siedler ist ihre Assimilierung im neuen polnischen Milieu, und man sollte keine Mühe sparen, um dieses Ziel zu erreichen. Man sollte ihnen gegenüber nicht die Bezeichnung ‚Ukrainer’ gebrauchen. Falls das Element der Intelligentsia gemeinsam mit den Siedlern in die Wiedergewonnenen Gebiete gelangt sein sollte, muss man sie rücksichtslos einzeln und weit entfernt von den Gemeinden, in denen Siedler aus der Aktion ‚Weichsel’ wohnen, unterbringen“.
Die ukrainische Bevölkerung wurde sogar noch nach der Ansiedlung in den West- und Nordgebieten Polens vom Amt für Sicherheit, der Bürgermiliz und den Freiwilligen Milizeinheiten (ORMO) genauestens kontrolliert. Es kam vor, dass Funktionäre des Amtes für Sicherheit lange Zeiten in den Häusern ukrainischer Siedler verbrachten, und es wurden sogar Familien von Milizionären in der Nähe angesiedelt. Außerdem standen sie unter ständiger Beobachtung, wurden in gewissen Abständen unter der Beschuldigung, der OUN oder der UPA angehört oder mit ihnen zusammengearbeitet zu haben, verhaftet. Für die Ukrainer galt Versammlungsverbot, und es war ihnen sogar verboten, nachts die Fenster zu verhängen. Es kam auch vor, dass sie für allergeringste Vergehen bestraft wurden.
Im Prozess der Polonisierung der Ukrainer sollte jedes organisierte nationale Leben und die Tätigkeit der griechisch-katholischen Kirche verhindert werden. Die Behörden versuchten das durch die Isolierung der sowieso zahlenmäßig kleinen Schicht der Intelligentsia vom Rest der Bevölkerung, durch die Verhinderung jeder Selbstorganisation und durch die Verfolgung der griechisch-katholischen Geistlichen, denen die seelsorgerischer Tätigkeit in ihrem Ritus verboten war.
Die gegenseitige, negative Einstellung der Polen und Ukrainer zueinander trug zur gesellschaftlichen Isolierung der Ukrainer bei. Auf die Feindseligkeit und den Unwillen der polnischen Bevölkerung antworteten sie genauso. Angesiedelt unter vollkommen anderen Milieubedingungen als zuvor fühlten sie sich unwohl und unsicher. Die ganze Zeit träumten sie von der Rückkehr in ihre Heimat. Dieses Gefühl war so stark, dass anfänglich große Teile der Ukrainer die Gebäude nicht renovierten, den Boden nicht bestellten und keine Viehzucht betrieben. Auf Schritt und Tritt spürten sie ihre Fremdheit. Aus diesen Gründen unterhielten sie vor allem untereinander Kontakt. Diese gesellschaftliche Isolierung der Ukrainer führte zu ihrer inneren Integration. Sie unterstützten sich bei verschiedenen Arbeiten, begingen gemeinsam die Feiertage und luden sich gegenseitig zu verschiedenen Familienfesten ein. Sie kultivierten, so weit das möglich war, die eigenen nationalen und religiösen Traditionen. Sie sprachen und beteten auf Ukrainisch und feierten ihre Feiertage nach dem Julianischen Kalender. Verschiedene Feiern, z.B. Hochzeiten, verliefen nach eigenen Bräuchen. Dieses Verhalten der Ukrainer vertiefte wiederum den polnisch-ukrainischen Antagonismus.
Erst ab 1952 kam es zu einer Lockerung in der Politik der Behörden gegenüber den Ukrainern. Man erlaubte ihnen eine begrenzte kulturelle und Bildungsaktivität, verzichtete jedoch nicht auf ihre Assimilierung.